Stellungnahme zum BAföG-Regierungsentwurf

Nachdem wir bereits im Januar zum Referent*innenentwurf des 26. BAföG-Änderungsgesetzes Stellung nehmen durften, dokumentieren wir in der Folge unsere zweite Stellungnahme, zu der uns nunmehr der Bundestag aufgefordert hat. (tl,dr: Es hat sich nicht viel getan, unsere Kritik aus der ersten Stellungnahme erhalten wir aufrecht)

Die Stellungnahme ist hier als PDF zu finden: https://www.fzs.de/wp-content/uploads/2019/05/Stellungnahme-fzs-BAföG-Novelle-26-Regierungsentwurf.pdf

Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Sechsundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (26. BAföGÄndG)

Mit der folgenden Stellungnahme kommentiert der freie zusammenschluss von student*innenschaften, fzs e.V., als bundesweite Studierendenvertretung den Entwurf der Bundesregierung eines Sechsundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 27. März. 

Große Einigkeit herrscht in der Frage, dass das BAföG ein wichtiges Instrument der Studienfinanzierung sein sollte. Uneinigkeit existiert in der Frage, in welchem Maße es tatsächlich ein Instrument der Studienfinanzierung sein kann, das Bildungschancen für alle ermöglicht. Als Bundesstudierendenvertretung sind wir bestrebt, die bestmögliche Studienfinanzierung für alle Studierenden zu erreichen, das BAföG soll soziale Unterschiede ausgleichen und Möglichkeiten schaffen. 

Aus diesem Grundverständnis heraus haben wir im Januar bereits zum Referent*innenentwurf Stellung genommen. In dieser Stellungnahme (https://www.fzs.de/2019/01/23/stellungnahme-bafoeg-reform/) haben wir für die zentralen Regelungstatbestände des Gesetzes konkrete Änderungsvorschläge unterbreitet. Die dort formulierten Änderungen stellen nach wie vor unsere Vorstellung eines Bundesausbildungsförderungsgesetzes dar, das eine echte Trendwende in der Förderung von Studierenden leisten kann, weshalb wir ausdrücklich auf diese erste Stellungnahme verweisen.

Der Wille, eine echte Verbesserung zu erzielen, lässt sich für uns auch in der synoptischen Betrachtung des Referent*innen- zum Regierungsentwurf nicht feststellen. Wir müssen also konstatieren, dass mit diesem Gesetzesentwurf keine Trendwende zu realisieren sein wird.

Um dennoch die unter diesen Umständen bestmöglichen finanziellen Rahmenbedingungen für ein Studium zu schaffen, schlagen wir folgende Maßnahmen zur sofortigen Realisierung vor:

Freibeträge

Die Freibeträge müssen erhöht werden. Eltern, deren Kinder mit dem Höchstsatz gefördert werden, verfügen im Durchschnitt über ein Jahreseinkommen von 22.000€, doch selbst mit einem Einkommen, das beispielsweise bis zu 50% über diesem Durchschnitt liegt, können Eltern ihren Kindern noch nicht einfach ein gutes Studium ermöglichen. Abgesehen davon, dass die Abhängigkeit Studierender von ihren Eltern sowieso absurd ist, bedeutet schon ein elterliches Einkommen, das minimal zu hoch ist, Abstriche in der Förderung durch das BAföG. Eines der Kernprobleme des BAföG, die fehlende Berücksichtigung des unteren Mittelstandes, ist an genau dieser Stelle zu beheben. Durch eine Erhöhung der Elternfreibeträge können insbesondere Studierende der ersten Generation und ihre Angehörigen deutlich entlastet werden, um gute Studienbedingungen auch für diese Personengruppe zu gewährleisten. Bei den Einkommensfreibeträgen empfehlen wir daher, die geplanten drei Erhöhungsschritte zu einem großen Schritt zusammenzufassen und die Freibeträge unverzüglich deutlich zu erhöhen.

Verschuldung

BAföG zu beantragen bedeutet immer auch, sich mit Zukunftsschulden konfrontiert zu sehen. Von einer BAföG-Novelle erwarten wir, dass sie die Angst vor Verschuldung nimmt. Gerade finanziell schlecht gestellte Personen haben große Hemmungen, Schulden aufzunehmen, selbst wenn die Ausbildung hohe Verdienste verspricht. Besonders betroffen sind Personen ohne akademischen Hintergrund, bei denen dieser Effekt die ohnehin schon bestehenden antizipierten Unsicherheiten in Bezug auf das Studium noch verstärkt. Darum muss der Schuldendeckel sofort auf 5000€ gesenkt und die Förderung langfristig zum Vollzuschuss umstrukturiert werden.

Förderhöchstdauer

Regelstudienzeit ist nicht die Regel! Wer die Regelstudienzeit überschreitet, hat Gründe dafür. Ein Wegfall des BAföG beschleunigt den Abschluss nicht, sondern bewirkt das Gegenteil: ohne BAföG muss nebenbei (mehr) gearbeitet werden, was das Studium verlängert, was die Gefahr von weiteren Mehrkosten (Krankenversicherung, Langzeitstudiengebühren) oder sogar von Exmatrikulation ohne Abschluss (Maximalstudiendauer) bedeuten kann. Darum: Regelstudienzeitbindung im BAföG flexibilisieren, beispielsweise durch Abdeckung der doppelten Regelstudienzeit (analog zu manchen Modellen für Langzeitstudiengebühren, wie u.a. in Niedersachsen) sowie eine Ausweitung der Gründe für eine Verlängerung der Förderberechtigung, zum Beispiel aufgrund von:

  • Pflegeaufgaben
  • Praktika
  • Kindern
  • Nebentätigkeit
  • Ehrenamt in studentischer und akademischer Selbstverwaltung oder außerhalb der Hochschule

Dynamisierung

Die Inflation und diverse Preissteigerungen, insbesondere im Bereich studentischer Ausgaben – die deutlich gestiegenen Ausgaben für Krankversicherung und Miete – haben dafür gesorgt, dass das BAföG zuletzt jedes Jahr in einem geringeren Maße für die Ausgaben genügte und die Studienfinanzierung somit zunehmend erschwerte. Damit muss Schluss sein und die beste Lösung, die Anpassung das BAföG nicht erneut derart lange zu verschleppen, ist seine Dynamisierung. Das bedeutet, es braucht eine festgeschriebene jährliche Erhöhung um mindestens 3%.

Bedarfe

Die Bedarfssätze, welche im aktuellen Entwurf vorgesehen sind, decken nicht den tatsächlichen Bedarf der einzelnen Studierenden ab, das hat bereits die Auswertung des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie [FiBS] ergeben, welches einen durchschnittlichen [!] monatlichen Bedarf von 550€ ermittelte. Hinzu kommen die Ausgaben für Miete, welchen in den vergangenen Jahren an beinahe allen Hochschulstandorten maßgeblich gestiegen sind. Die durchschnittlichen monatlichen Ausgaben für Miete betragen aktuell über 360€, auch dies wird von der geplanten Erhöhung nicht gänzlich gedeckt. Eine Erhöhung der Wohnpauschale auf 360 € scheint entsprechend nur angemessen, auch wenn dies immer noch nicht gewährleistet, dass Studierende unabhängig von der Unterstützung ihrer Eltern dort studieren können wo sie möchten – ein Zimmer in München z.B. ist für unter 600 € schwer zu erhalten – ist es ein erster Schritt in Richtung einer realitätsnahen Studienfinanzierung. Um diese zu gewährleisten, muss allerdings die Möglichkeit gegeben sein, die Förderungen an die lokalen Mietpreise analog zum Wohngeld anzupassen.

Bürokratieabbau

Ein BAföG-Antrag ist eine bürokratische Herausforderung für die meisten Studierenden. Diese Tatsache wird immer wieder herangeführt, wenn es um die Quote der Personen geht, die BAföG trotz Berechtigung nicht beantragen. Tatsächlich sind die Gründe wohl komplexer, dennoch gilt es, das BAföG weitestgehend zu entbürokratisieren um besonders diese Hürde bei der Beantragung zu beseitigen. Dazu gehört auch eine komplett digitale Einreichung zeitnah zu ermöglichen und mittelfristig weniger Daten zu verlangen.

Nachdem wir unsere Stellungnahme zum Referent*innenentwurf vom 9. Januar 2019 eingereicht haben und auf zahlreiche Verbesserungspotenziale hinwiesen, hat sich zwischenzeitlich bedauerlich wenig getan. Das BAföG-Bündnis, bestehend aus Gewerkschaften sowie verschiedenen studentischen Verbänden, konnte zwischenzeitlich tausende Unterschriften für eine grundlegende BAföG-Reform sammeln und es wurde bekannt, dass die vorgesehenen Budgetkürzungen beim BMBF in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Minderausgaben beim BAföG stehen. Daraus lässt sich schließen, dass sowohl die Mittel als auch das gesellschaftliche Bedürfnis nach einer weitreichenden Reform real existieren. 

Daraus lässt sich schließen, dass sowohl die Mittel als auch das gesellschaftliche Bedürfnis nach einer weitreichenden Reform real existiert. Wir schließen unsere Stellungnahme deshalb mit der Forderung: Handeln Sie jetzt, um mit dem BAföG echte Bildungschancen für viele zu ermöglichen!